XFEL: Wie Magnetisierungsumkehr durch Licht funktioniert

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22.11.2023
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Wie Magnetisierungsumkehr durch Licht funktioniert

Forschende enthüllen mikroskopischen Mechanismus, wie Magnetisierung durch ultrakurzen nahinfraroten Laserpuls geschaltet wird

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Das Prinzip des Experiments: Ein ultrakurzer Nahinfrarot-Laserpuls (oben rechts) löst Veränderungen in den Eisen-Untergittern von YIG:Co (unten Mitte) aus, die mit den Röntgenblitzen des European XFEL (oben links) analysiert werden. Grafik: Prof. Andrzej Stupakiewicz, Department of Magnetism, Faculty of Physics, University of Bialystok, Poland

Die Magnetisierung von Materialien – zum Beispiel in Festplatten für die Datenspeicherung – mit Licht statt mit Magnetfeldern zu schalten, verspricht eine erhebliche Beschleunigung der Datenschreibgeschwindigkeit. Ein bedeutender Schritt in diese Richtung war kürzlich die Demonstration, dass sich die Magnetisierung mit einem einzigen Lichtpuls in kontrollierbarer Weise schalten lässt. Nun hat ein Forschungsteam die durch einen ultrakurzen Nahinfrarot-Laserpuls ausgelöste Magnetisierungsumkehr untersucht und mit Hilfe der Röntgenpulse des European XFEL aufgeklärt, wie dieser Prozess auf atomarer Ebene abläuft. Die Ergebnisse belegen einen neuartigen und effektiven optischen Schaltmechanismus, der zur ultraschnellen Steuerung der Magnetisierung in einer Vielzahl von Materialien eingesetzt werden könnte. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Advanced Science veröffentlicht.

In dem Maße, wie die weltweit erzeugte Datenmenge wächst, steigt auch die Nachfrage nach schnelleren, energieeffizienteren und dichteren Datenspeicherlösungen. Heutige Festplatten basieren auf magnetischen Materialien, deren Magnetisierung in der Regel durch ein lokales Magnetfeld geschaltet wird, um Datenbits auf das Laufwerk zu schreiben. Diese Schreibgeschwindigkeit ist jedoch begrenzt. Die Verwendung von ultrakurzen Lichtpulsen anstelle eines Magnetfelds zum Schalten der Magnetisierung könnte die Datenschreibzeiten erheblich verkürzen.

Ein Forschungsteam hat nun einen ultrakurzen Infrarot-Laserpuls verwendet, um den zugrunde liegenden mikroskopischen Mechanismus der Magnetisierungsumkehr in kobaltdotiertem Yttrium-Eisen-Granat (YIG:Co) mittels ultraschneller Röntgenspektroskopie an der SCS-Experimentierstation am European XFEL aufzudecken. „Der nahinfrarote Lichtpuls löst einen elektronischen Übergang in den Kobalt-Ionen der Probe aus, die wiederum eine Umorientierung der Spins der nächstgelegenen Eisen-Ionen bewirkt“, erklärt Sergii Parchenko von der ETH Zürich, dem Paul-Scherrer-Institut und European XFEL, der Erstautor der Veröffentlichung. „Die Umorientierungskaskade breitet sich während einer Pikosekunde vom anfänglichen Kobalt-Ion aus, bis ein homogener Zustand erreicht ist. Dadurch entsteht eine Situation, in der die magnetischen Momente gegeneinander verkippt sind. Dieser Übergangszustand scheint für die Umkehrung der Magnetisierungsrichtung entscheidend zu sein.“

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Schematische Visualisierung der mikroskopischen Magnetisierungsdynamik in YIG:Co, wobei nur Kobalt-Ionen (Co, blau) und Eisen-Ionen (Fe, grün) im tetraedrischen Untergitter zu sehen sind. (a) Vor der Bestrahlung mit dem Infrarotpuls sind alle magnetischen Momente parallel ausgerichtet. (b) Durch die optische Anregung ändert sich der Orbitalzustand des Kobalt-Ions, wodurch die Spins der nächstgelegenen Eisen-Ionen umorientiert werden. (c, d) Die Umorientierungskaskade (gestrichelter orangefarbener Kreis) breitet sich vom ursprünglich angeregten Kobalt-Ion aus und beeinflusst weiter entfernte Eisen-Ionen.

 

In YIG:Co sind die Eisen-Ionen in zwei verschiedenen Untergittern angeordnet. Die magnetischen Momente in jedem Untergitter sind normalerweise parallel zu denen des anderen Untergitters ausgerichtet, zeigen allerdings in entgegengesetzte Richtungen. Wie die Studie zeigte, reagieren die beiden Untergitter unterschiedlich auf die optische Anregung der Kobalt-Ionen, was zu einem Übergangszustand führt, in dem die magnetischen Momente nicht mehr parallel sind. „Selbst eine winzige Änderung in der Ausrichtung der Magnetisierung eines Untergitters wirkt sich erheblich auf die Gesamtmagnetisierung des Materials aus, was effektiv zu einer Umkehrung der Magnetisierungsrichtung führt“, erläutert Parchenko.

Der in der Studie aufgedeckte neuartige optische Schaltmechanismus könnte zur ultraschnellen Steuerung der Spins vieler weiterer Materialien auf atomarer Ebene verwendet werden, mit möglichen Anwendungen für schnellere und energieeffizientere Datenspeicherlösungen.

 

Originalpublikation:
“Transient non-collinear magnetic state for all-optical magnetization switching”, Sergii Parchenko et al., Adv. Sci. 2302550 (2023), https://doi.org/10.1002/advs.202302550

 

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Sergii Parchenko
Tel: +49-40-8998-6071
E-mail: sergii.parchenko@xfel.eu

Prof. Andrzej Stupakiewicz
Tel: +48-85-738-81-78
E-mail: and@uwb.edu.pl

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