XFEL: Zehn Fragen an Andreas Schwarz

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27.09.2018
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Zehn Fragen an Andreas Schwarz

Der wissenschaftliche Direktor blickt zurück auf die Entwicklung der Einrichtung

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Andreas Schwarz geht nach mehr als 15 Jahren rastlosem Einsatz für European XFEL in den Ruhestand. Copyright European XFEL

Mehr als 15 Jahre lang hat Andreas Schwarz, Wissenschaftlicher Direktor am European XFEL, die Entwicklung des Röntgenlasers geprägt. Seit 2003 war er verantwortlich für Planung und Bau und hat über die Jahre das Wachstum der Gesellschaft verfolgt, bis zur Ankunft der ersten Nutzer und zu den ersten Forschungsergebnissen. Rosemary Wilson hat ihn vor seinem Abschied Ende September gefragt, wie er zu European XFEL kam, warum das Hauptgebäude des Röntgenlasers in Schenefeld steht und welche Pläne er für seine persönliche Zukunft hat.

Wie sind Sie zu European XFEL gekommen?

Ich bin Teilchenphysiker, und seit den Neunzigerjahren habe ich als leitender Wissenschaftler bei DESY gearbeitet. Ich hatte das Glück und die Ehre, Sprecher für HERA-B zu sein, eines Experiments am großen Ringbeschleuniger HERA, an dem mehr als 30 Einrichtungen beteiligt waren und mit dem Teilchenkollisionen untersucht wurden. Gegen Ende des Projekts im Jahr 2003 hat mich dann Jochen Schneider angesprochen, der damals bei DESY für die Forschung mit Photonen zuständig war und das European XFEL-Projekt ins Leben gerufen hatte, ob ich nicht daran mitarbeiten wolle.

Was waren die ersten Schritte beim Start von European XFEL?

Die Bundesregierung hatte der Finanzierung gerade zugestimmt. Jochen Schneider, Thomas Tschentscher, heute Direktor bei European XFEL, Reinhard Brinkmann, heute Mitglied des DESY-Direktoriums, und ich saßen zusammen, um zu entscheiden, wie wir das Projekt am besten angehen. Wie sollte es geführt werden, und welche wissenschaftlich-technische Aufgaben galt es zuerst anzugehen? Das Ergebnis war eine Reihe von Arbeitsgruppen, die sich auf unterschiedliche Aspekte konzentrieren sollten, von der Technik über administrative Aufgaben bis hin zu juristischen Fragestellungen. Da die Bundesregierung entschieden hatte, European XFEL als internationales Projekt zu realisieren, wurden darüber hinaus mehrere internationale mit hochkarätigen Wissenschaftlern besetzte Beratergremien eingerichtet. Ihre Aufgabe war es, die Richtung unserer Arbeit vorzugeben und sie zu begleiten.

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European XFEL Management Board 2018. Von links nach rechts: Thomas Tschentscher, Robert Feidenhans'l, Nicole Elleuche, Serguei Molodtsov und Andreas Schwarz. Copyright European XFEL

Wie fiel die Entscheidung für Schenefeld als Standort?

Es war eine unserer ersten Aufgaben zu entscheiden, wo die Anlage gebaut werden sollte. European XFEL sollte ursprünglich Teil eines wesentlich größeren Projekts sein, des TESLA-Linearbeschleunigers für die Teilchenphysik. Da der TESLA-Beschleuniger selbst 2003 aber keine Zustimmung fand, waren wir nicht mehr an die dafür vorgeschlagenen Standorte gebunden und konnten uns nach anderen umsehen. Dabei haben wir verschiedene Optionen in Betracht gezogen, von denen eine bei DESY endete, also die ganze Anlage im Vergleich zu heute um 180 Grad gedreht gewesen wäre. Auch einen Standort weiter im Süden haben wir geprüft. Klar war, dass bestimmte Voraussetzungen gegeben sein mussten: Wir brauchten insbesondere für die Photonentunnel Gebiete ohne viel Verkehr und ohne starke Erschütterungen. Schenefeld erwies sich schließlich als der beste Standort. Und die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung haben das Projekt auch stets konstruktiv begleitet.

Wie haben Sie die Anwohner auf den Bau der Anlage vorbereitet?

Von Anfang an hat die PR-Abteilung der Information der Anwohner und der Grundstückseigner hohe Priorität eingeräumt. Gemeinsam sind wir von Tür zu Tür gegangen und haben in den Wohnzimmern Fragen beantwortet, oft freundlich mit Kaffee und Keksen bewirtet. Das war sehr wichtig, denn es hat dazu beigetragen, Bedenken auszuräumen und die Unterstützung der Menschen vor Ort zu gewinnen.

Welche Voraussetzungen mussten bei Baubeginn erfüllt sein?

Bevor etwas Großes wie ein neuer Hafen, ein Flughafen oder ein Röntgenlaser gebaut werden kann, müssen die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden. In unserem Fall war der erste Schritt eine Übereinkunft zwischen den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein. Erst dann konnten wir das Planfeststellungsverfahren starten.

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Feier bei der Ankunft der Tunnelbohrmaschine AMELI 2012. Andreas Schwarz sitzend vorne rechts im Bild . Copyright European XFEL

Was ist das für ein Prozess?

Eine umfangreiche und wichtige Aufgabe, die alles einschließt, was mit dem Bau der Anlage zusammenhängt. Es muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden, man muss Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in die Umwelt erläutern und man muss detailliert die Gebäude beschreiben, die man errichten will. Besonders wichtig ist es zu überlegen, wie die Auswirkungen auf Menschen und Umgebung möglichst klein bleiben. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um all diese Informationen zusammenzutragen. Schließlich haben wir zehn Ordner gefüllt, die jeden Aspekt des Projekts detailliert beschreiben. Die Anwohner hatten dann die Möglichkeit, die öffentlich ausgelegten Unterlagen einzusehen und ihre Bedenken zu äußern. Wir haben etwa 200 Eingaben erhalten – von handgeschriebenen Briefen bis zu detaillierten Schreiben von Anwälten bestimmter Interessengruppen. Die zuständigen Behörden haben dann zu einer öffentlichen Anhörung eingeladen, bei der wir das Projekt erklärt haben und auf die vorgebrachten Einwände eingegangen sind. In einigen Fällen konnten wir alternative Lösungen finden, bei anderen haben wir erklärt, warum das nicht möglich ist. Auf der Grundlage dieses Prozesses wurde der endgültige Plan genehmigt.

Was war das für ein Gefühl als schließlich die Bagger anrollten?

Das war ein ganz besonderer Moment, und für mich persönlich einer der Höhepunkte. Es war großartig zu sehen, wie die Dinge in Bewegung kamen. Als Wissenschaftler bin ich von Natur aus neugierig und interessiert an Neuem. Es war faszinierend, die Ingenieure auf der Baustelle zu beobachten, und als für den Bau zuständiger Direktor hatte ich Zugang zu Bereichen, die für andere verschlossen waren. Zur gleichen Zeit haben wir aber auch mit den Renaturierungs- und Kompensationsmaßnahmen in der Umgebung begonnen. Wir haben Entscheidungen zur Struktur des Unternehmens getroffen, zum Beispiel wie viele Mitarbeiter es haben und wie es geführt werden sollte. Und das war längst nicht alles!

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Andreas Schwarz bei einer Gästeführung auf der Baustelle 2012. Copyright European XFEL

Wie fühlt man sich denn an als Wissenschaftler, ein Bauprojekt zu leiten?

Es hat Freude gemacht! Schon verschiedene wissenschaftliche Disziplinen haben ja ihre eigenen Sprachen, aber das hier war etwas völlig anderes, mit sehr komplexen Inhalten. Wir haben das natürlich auch nicht allein gemacht. Wir haben eng mit unserem Partner DESY zusammengearbeitet, und auch mit einem Ingenieurbüro, das Erfahrungen mit dieser Art von Projekten hatte. Die waren uns eine große Hilfe und haben auch angefangen zu verstehen, wie wir Wissenschaftler ticken. Beispielsweise indem sie schon vorausahnten, wie wir in unterschiedlichen Situationen reagieren würden.

Sie waren von Anfang an am Projekt beteiligt. Was bedeutet Ihnen dieser Abschnitt ihrer beruflichen Laufbahn im Rückblick?

Ich betrachte es als großes Privileg. Es war wirklich eine seltene Gelegenheit und ein Glück, von Anfang an beteiligt gewesen zu sein, vom Bau bis zum Nutzerbetrieb. Aber obwohl ich über fast alle Entscheidungsprozesse etwas berichten könnte – sei es die Lage der Tunnel oder das Farbkonzept im Bürogebäude – betrachte ich European XFEL nicht als mein Baby. Ein Bespiel: Ja, wir haben die endgültige Entscheidung getroffen, dass das Hauptgebäude genau dort stehen soll, wo es jetzt steht. Aber diese Entscheidung basiert auf vielen Diskussionen und rationalen Überlegungen zahlreicher Experten. Meine Aufgabe war es, aufmerksam zuzuhören und sicherzustellen, dass wir nichts übersehen. Wir haben das gemeinsam gemacht.

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Der European XFEL ist drei 3,4 Kilometer lang und reicht vom DESY-Campus in Bahrenfeld bis nach Schenefeld. Dieses Bild zeigt die Baustelle in Schenefeld im Jahr 2009. Copyright European XFEL

Was werden Sie nach Ihrem Ausscheiden Ende September tun?

Ich will wieder mit dem Gitarre spielen anfangen, mit meiner Frau reisen und mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Ich bin sicher, dass ich die Entwicklung hier im Auge behalten und ab und zu vorbeikommen werde, wenn es etwas zu feiern gibt – wobei ich hoffe, dass dazu häufig Anlass bestehen wird! Aber ich habe vor, das Leben zu genießen so lange es dauert und solange man sich daran erfreuen kann – auch ohne European XFEL!